Donnerstag, 10. März 2011

Das ganze Leben ist ein Netzwerk

Ich bekomme gerade tierischen Brechreiz. Eine Kommilitonin meldet sich über Skype bei mir. Sie legt gleich los:

"Hallo, wie geht's, was machst du? Wo finde ich den das Formular für XY und wie lange habe ich Zeit um dieses und jenes anzumelden und abzugeben?"

Ohne Luft zu holen, quasi in einem Satz. Ich habe von ihr seit einigen Monaten nichts gehört, da man sich aufgrund der Abschlussarbeit (oder in ihrem Fall Auslandsaufenthalten und anderen Vergnügungen) in der Weltgeschichte verteilt hat.

Da kommt einem doch die Galle hoch. Wenn Menschen sich nur melden, wenn sie etwas brauchen. Kurz vortäuschen, man sei wirklich an dem Menschen interessiert und dann gleich sein Anliegen nachschieben. Mann, war ich angesäuert und hab ihr das auch gleich demonstriert ("Ich bin nicht die Auskunft") weil das nun wirklich nicht das erste Vorkommnis dieser Art war. Aber das hat sie nicht mal kapiert! 

Ich glaube wirklich langsam, einige Menschen denken, das Leben sei ein Selbstbedienungsladen. Die rennen durchs Leben und sind zu jedem freundlich - der ihnen irgendwie nützlich sein könnte. Derjenige, der Empfänger dieser Freundlichkeit wird, na der fühlt sich dann erstmal geehrt und lässt sich auch anfangs darauf ein, der betreffenden Person zu helfen.

Oh, na klar darfst du meine Aufschriebe kopieren. 
Ja, ich erklär dir dieses Thema für die Klausur noch mal. 
Dieses Formular musst du so und so ausfüllen. 
Klar kann ich dir den Kontakt zu dem Typen aus der Firma herstellen, weil du mal wieder so spät dran bist mit der Bewerbung für die Praxissemesterstelle. 
Du kommst gerade aus Timbuktu wieder, hast hier dein WG-Zimmer gekündigt und weißt nicht wohin? Kein Problem, penn erstmal bei mir. 

Wahrscheinlich wird es dem dummen Schaf irgendwann mal auffallen, dass es sich hier gar nicht um eine Freundschaft handelt, sondern dass das Gegenüber einfach nur wahnsinnig gut im Netzwerken ist. Die Masche Beziehungen zu knüpfen ist demjenigen quasi ins Blut übergegangen und es gibt so gut wie kein Problem, für das er nicht jemanden kennt. Ein bisschen ist das dann sogar wie eine Freundschaft. Freunde helfen sich ja auch.
Der Unterschied ist bloß: Derjenige ist nicht loyal. Hat er ein Problem, bei dem du ihm nicht weiterhelfen kannst, wird schamlos jemand anderes angewanzt (Wobei, ist ja auch mal ganz schön, wenn der Kelch an einem vorüber geht).
Auch mit der Gegenhilfe ist es nicht besonders weit her. Oh neee, der andere ist wahnsinnig beschäftigt. Außerdem hat er ja selber von nix 'nen Plan. Da muss man wohl jemanden anderen fragen. Sorry, aber ein anderes mal gerne! Ja klar!
Der allergrößte Unterschied zu einem Freund wird jedoch offenbar, wenn man sich (durch Arbeit, Verein oder Studium) nicht mehr täglich sieht. Dann ist der Netzwerker nämlich wie vom Erdboden verschluckt. Man sieht und hört nichts von ihm außer dem Statusmeldungen auf Facebook. Es ist, als ob man sich nie gekannt hätte. Bis der Netzwerker mal wieder ein Problem oder eine Frage hat, mit dem er einen behelligen kann.

Das Schlimmste an Netzwerkern ist, dass sie so viele Ansprechpartner haben, dass es gar nicht schlimm ist, wenn sie mal durchschaut werden. So flitzen sie freundlich, interessant, vielbeschäftigt, unverbindlich - und vor allem immer irgendwie ahnungslos durchs Leben - und kommen trotzdem immer irgendwie durch.

Verdammt, ich glaube, ich mach was falsch!

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